Bandscheibenvorfall – der Bericht beginnt

Ostermontag. Draussen stürmt und schneit es. Die operierte Mila liegt bei mir in ihrem „Nest“. Nun versuche ich einmal von unserem Oster-Krimi zu erzählen.

Wer nicht so viel Zeit und Lust zum Lesen hat, der kann in diesem Blog auch „nur“ die neue Rubrik überfliegen: Milas Rücken, ein Krankentagebuch. Dort werde ich fortlaufend mit knappen Texten über den Verlauf von Milas Rückengeschichte berichten.

Hier im blog aber schreibe ich ausführlich, denn das Schreiben tut mir einfach gut 🙂 Und es gibt für mich einiges zu „verdauen“:

Ihr erinnert euch?
Heute vor einer Woche war Anna mit Mila bei unserer Tierärztin. Milas Rücken war nicht in Ordnung. Waren es Verspannungen, Blockaden oder gar ein leichter Bandscheibenvorfall???
Drei Tage später ging es Mila den ganzen Tag über deutlich besser und ich war happy. Die Blockade hatte sich wohl gelöst und wir würden entspannt Ostern feiern, dachte ich.
Pustekuchen!!!
Am Karfreitagmorgen um 7.00 Uhr stand Mila nur schwer auf. Ihre Hinterbeine knickten weg. SOFORT haben wir unsere Mila vorsichtig zum Auto getragen und los ging es nach Heilbronn in die Tierklinik. Die Fahrtzeit beträgt eine Stunde. Was war ich froh, als wir dort waren. Mir war klar, dass jetzt schnell gehandelt werden muss. Sollte es ein Bandscheibenvorfall sein (und was sollte es eigentlich sonst sein, wenn die Hinterbeine lahm werden?) dann muss zügig gehandelt werden. Zügig? Zuerst hieß es, wir sollten mal warten, im Auto. Klar, wir kamen unangekündigt. Es gab genügend andere Patienten, die über Nacht in der Klinik waren, zu versorgen. Nicht jeder kann der Erste sein, auch wenn Not ist.
Meine Blase sagte mir, dass ich sie vor Aufregung heute noch nicht beachtet hatte. Ich brauchte eine Toilette. Mit Maske ging ich in die Klinik. Kein WC, nirgends. Das kann doch nicht sein?!
Vor sechs Jahren war ich mit unserer Alma in dieser Klinik. Auch Alma musste damals über Nacht in der Klinik bleiben. Beim Abholen musste ich eine Etage nach oben laufen. Ob dort die Toiletten waren? Ich ging mutig nach oben, schaute mich um und traf auf eine sehr verdutzte Frau. Höflich fragte ich, wo denn die Toiletten seien? Die Frau schaute mich ungläubig an und sagte mir dann sehr barsch ich solle SOFORT wieder nach unten gehen!!! Hier oben hätte ich absolut nichts verloren!!! Sie hatte ja recht. Und in Coronazeiten muss noch mehr aufgepasst werden.
Schnell lief ich zurück zum Auto. Hoffentlich war diese Frau nicht die Ärztin, die sich gleich um Mila kümmern wird. Sonst hätten wir einen ganz schlechten Start!!!
Nach längerem Warten kam zum Glück eine sehr nette junge Ärztin. Sie zeigte mir wo die Toilette ist (dieser Raumbereich war bislang noch gar nicht zugänglich, deshalb konnte ich es nicht finden).
Sie meinte ich könne unseren Hund dann bringen und in Raum Nummer 1 gehen. Sie wäre im Raum Nummer 2 noch kurz beschäftigt.
Es war schon super aufregend für Hartmut und mich, Mila überhaupt aus der Auto-Box zu holen. Mila war ja stark verunsichert (und wir auch!), sie hatte Schmerzen und spürte ihre Hinterbeine nicht mehr. Ich stand in Raum Nummer 1 mit Mila auf dem Arm und dachte: Bitte, bitte, wann kommt endlich jemand?!!!
Die Zwischentür zu Zimmer 2 war halb offen und ich hörte das Gespräch. Ein alter Hamster hatte Kauprobleme und die Ärzin erklärte geduldig, dass sie keine Zahnbehandlung bei einem Hamster durchführen kann, weil er so klein ist. Bei Kaninchen gehe das… usw usw usw… Ich warte weiter mit meiner Mila auf dem Arm. Stellt euch das bitte vor: Der vordere Teil deines geliebten Hundes ist lebendig. Das Gesicht zeigt Schmerz, die Augen flehen dich an. Der hintere Teil ist leblos, wie tot. Zwei Hinterbeine stehen starr wie Stuhlbeine unterm Bauch hervor. Der Hund ist schwer, denn er ist ja halb leblos… Der Hamster bekommt noch Augentropfen und Schmerzmittel… Meine Güte, lasst doch diesen Hamster, denke ich.
Es wird genau besprochen wie der alte Hamster zu Hause weiterversorgt werden muss… Meine Geduld ist zu Ende. Mila muss geholfen werden! „Kommt mal bitte jemand“, rufe ich laut. „Ich habe hier wirklich einen Notfall!!“ Die nette Ärztin kommt zum Glück. Sie sieht Milas starre Beine und merkt, dass sie schnell handeln muss. Mila ist nun so aufgeregt, dass sie Kot ablässt. Nicht schlimm, sagt die Ärztin. Sie fragt mich ein paar Dinge und dann nehmen sie Mila mit zum Röntgen. Es dauert eine Weile und ich sitze mit meiner Maske da und merke plötzlich ganz deutlich, dass dies hier alles eine richtig üble Situation ist. Noch viel übler als der Gestank im Zimmer. Würde Mila wieder gesund werden? Was hat sie überhaupt? Wird man ihr jetzt und heute helfen können?? Und ich denke an den Hamster. Hat er nicht das gleiche Recht wie Mila? Philosophische Gedanken gehen mir durch den Kopf. Bilder von Krankenhäusern ziehen an mir vorbei, in denen schwerkranke Coronapatienten eingeliefert werden. Wer darf zuerst?…
Die Arzthelferin kommt irgendwann. Auf dem Röntgenbild würde man gar nichts sehen, keinen Befund. Die Ärztin wolle das Bild noch mit einer anderen Ärztin abklären (aha, sicher die Frau aus dem Obergeschoß).
„Wie geht es weiter?“ frage ich.
„Wir können heute wohl nicht mehr viel machen“, sagt die Arzthelferin. „Denn heute an Karfreitag können wir kein CT machen“.
Ich bin mehr als entsetzt!!! Ich kann doch den lahmen Hund nicht mit nach Hause nehmen. Bei Bandscheibenvorfall zählt jede Stunde!!
Das Handy der Arzthelferin klingelt. Ich merke, sie reden über Mila.
„Aha – und er würde sich den Hund anschauen?“ fragt die Arzthelferin.
Sie schaut mich fröhlich an und meint, wir hätten riesiges Glück. Der Facharzt für Orthopädie sei inoffiziell im Haus. Er wollte nur schnell etwas reparieren. Die Ärztin hatte ihn gebeten sich Mila mal anzuschauen. Und das tat er!!! Er war und bleibt für mich der Karfreitag-Engel!
Wie ein Doktor sah er nicht aus. Viel mehr wie ein fleissiger Handwerker im Handwerker-Dress. Er tastete Mila ab und meinte, man müsse ein anderes Röntgenbild machen. Mila wurde wieder mitgenommen und sie war anscheinend immer sehr sehr lieb und hat alles mit Bravour mit sich machen lassen. Während ich da sass, kullerten mir plötzlich die Tränen aus den Augen. Unter der Maske schniefte die Nase. Meine Nerven flatterten.
Auch auf diesem Röntgenbild gab es keinen Befund. „Jetzt müssen wir ihren Hund ins CT schieben. Falls sie einen Bandscheibenvorfall hat müssen wir sofort operieren“, erklärte der Facharzt. Den Karfreitag hatte er sich wohl anders vorgestellt und seine Bretter, die er irgendwo hinschrauben wollte, mussten nun auch warten.
„Normalerweise kostet so etwas zwischen 2000 und 2500 Euro“ erklärte er weiter. Aber da Sie sich einen Feiertag ausgesucht haben müssen sie mit 3500 bis 4000 Euro rechnen“.
„Bitte machen Sie das CT. Und bitte entschuldigen Sie mein Schniefen. Wenn es Sie beruhigt: Ich habe meine Bestätigung vom negativen Schnelltest dabei“ jammerte ich. Er winkte ab und ich durfte hemmungslos hinter meiner aufgeweichten Maske weiter weinen.
Weil ich noch Formalitäten ausfüllen musste, musste ich bei der Anmeldung warten. Dort standen zwei weitere weinende Familien. Eine totkranke Katze und ein verstorbener junger Hund.
Hartmut erzählte mir später, wie er beim Warten im Auto zuschauen musste, wie sie den jungen Hund im Auto wiederbeleben wollten. Erfolglos. Ja – an Karfreitag kommt niemand mit fröhlichen Tieren zum Impfen oder Krallen schneiden. Wer an so einem Feiertag in die Klinik kommt, bringt echte Notfälle mit. Ich habe großen Respekt vor diesen Tierärzten und Arzthelferinnen.  Sie müssen Ruhe bewahren und einen klaren Kopf behalten. Mila wurde durch die Not-OP das Leben gerettet.
Geschafft fuhren Hartmut und ich nach Hause. Während der Fahrt rief mich der Arzt an. Die Diagnose war nun eindeutig: ein massiver Bandscheibenvorfall. Mila wurde umgehend von ihm operiert. Zuhause bekam ich wieder einen Anruf: OP ist gelungen, Mila ist von der Narkose erwacht und muss über Nacht in der Klinik bleiben. Am nächsten Tag würden sie sich im Laufe des Tages wieder melden. Ich könne nicht anrufen um mich zu erkundigen, denn wegen der Feiertage wären sie nur im Notbetrieb und müssten sich vorrangig um die Patienten kümmern, anstatt zu telefonieren. Brav wartete ich. Um die Mittagszeit kam der erlösende Anruf: Mila könne laufen, aber sie würde nicht fressen und nicht pinkeln.
Ich sagte, dass ich gerne kommen würde. Ich würde davon ausgehen dass sie bei mir pinkelt. Kromfohrländer sind da eigen 😉
Ich bekam die Zusage dass ich Mila mit nach Hause nehmen dürfe, wenn sie Urin absetzt. Ich könne ein paar Meter am Neckar entlang laufen, sagte man mir am Telefon. Ich war doch sehr überrascht und erfreut. SO GUT konnte Mila schon wieder laufen, einen Tag nach der OP??? So gut, dass wir am Neckar entlang spazieren können???
Das Bild welches sich dann vor Ort zeigte, war dann ein ganz anderes. Mila wurde getragen und vor der Türe vor mir abgesetzt. Sie war völlig verunsichert, gleichzeitig auch hoch erfreut – aber von selbständigem Laufen war nichts in Sicht. Sie kippte sofort hinten um, sie taumelte wackelig. Mit diesem Anblick hatte ich nicht gerechnet und war überfordert. Die Arzthelferin machte Mila ein Handtuch als Schlinge unter den Bauch und so unterstützt, liefen wir die wenigen Schritte bis zum Pinkelplatz gleich bei der Kliniktüre. Mila pinkelte sofort! Immerhin!! Hartmut nahm Mila auf den Arm und setzte sie vorsichtig in ihre Hundebox. Ich sah, dass Mila am vorderen Bein einen Verband trug und dachte es sei ein Druckverband.
Ich musste eine Weile im Wartezimmer warten bis eine mir unbekannte Ärztin kam, die mich kurz aufklärte was wir zu Hause alles beachten müssen und wie es über die Ostertage mit Schmerzmittel weitergeht. Sie war im Stress, denn schon wurde der nächste Notfall eingeliefert. Wieder weinende Menschen im Flur. Ich dachte: Nur schnell weg hier! Ich schaute nochmals zu Mila in die Box und bemerkte dass sie ihr Halsband nicht trug. Das personalisierte Mila-Halsband, welches ich neulich erst zu meinem Geburtstag bekam! Ich ging zurück, störte leider schon wieder und fragte nach dem Halsband. Es war mir unangenehm, denn was ist schon so ein Halsband, wenn die Hütte brennt wegen ständiger Notfälle.
Die Arzthelferin suchte überall. Ich gab ihr nochmals den Tipp im CT-Raum zu suchen. Es wäre das Logischste wenn es dort läge. Tatsächlich, irgendwann hatte sie es dort gefunden. Jetzt aber wirklich nichts wie weg hier.

Am ersten Tag nach der OP war ich sehr nervös. Es hat mich enorm beängstigt weil die Hinterbeine von Mila noch so lahm waren. Ich hatte die Ärztin gefragt ob das normal sei nach der OP? Sie meinte, normal sei das nicht, man müsse jetzt einfach mal abwarten.
Dass ein Hund nach einer OP schwach und hilflos ist, dazu apathisch und unsicher, das ist mir klar. Aber wenn diese OP nun gar nichts geholfen hat? Wenn Mila ihre Hinterbeine nie mehr richtig einsetzen kann? Bilder von Hunden, die sich mit Hunde-Rollwagen durch die Gegend schleppen, schiessen mir durch den Kopf.  Es heißt, diese Hunde haben durchaus ein gutes und berechtigtes Leben. Aber unsere lauffreudige Mila im Rollwagen?
Mila auf den Arm zu nehmen um sie in den Garten zu tragen war auch eine große Überwindung für mich. Hartmut traute es sich besser. Man möchte ja auf keinen Fall etwas kaputt machen. Die riesen Narbe am Rücken! Wie nimmt man den Hund auf, wie trägt man ihn richtig in dieser Situation. Man hatte es uns kurz erklärt, aber es dann selber zu machen ist noch einmal etwas anderes. Irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen und schaffte es, Mila nach draussen zu tragen.

Am nächsten Tag, also gestern, sah es schon besser aus. Mila konnte im Garten wenige Schritte taumelnd laufen. Sie spürte ihre Hinterbeine wieder besser und konnte sie ein wenig benutzen.
Das gibt uns die Hoffnung dass sie eines Tages wieder normal laufen kann.
Jetzt ist Physiotherapie unendlich wichtig. Die Therapeutin, die mir neulich für den 11. Mai einen Termin anbieten konnte, ist so lieb und wird uns in diesem Notfall schon viel früher unterstützen. In drei Tagen haben wir unseren ersten Termin bei ihr 🙂
Nun war es an der Zeit den Druckverband abzumachen. Ich wickelte die erste Schicht des Verbandes ab und bekam einen Schreck: Da steckte ja noch der Katheter drin!! Zum einen war ich mir nicht sicher ob er durch meine Abwickelaktion noch am richtigen Ort sass, zum anderen sollte dieser doch einen Tag nach der OP gezogen werden. Das hatten sie dort sicherlich durch die vielen Notfälle und das Halsband suchen total aus dem Blick verloren. Gut, ich hätte ja auch fragen können, ich war aber auch nicht so klar im Kopf gewesen.
Ich rief in der Klinik an. Der AB war dran: Sie können nicht ans Telefon weil sie sich um die Patienten kümmern müssen, bei Notfällen dürfe man einfach vorbeikommen.
Ein Katheter im Bein ist kein Notfall. Und nun extra wieder eine Stunde nach Heilbronn fahren?
Da ich meinen Tierarzt von hier auch privat etwas kenne, war ich so unverschämt und rief ihn an Ostern privat an. Er sagte es sei überhaupt kein Problem wenn ich den Katheter selber ziehe. Er erklärte mir wie ich es zu machen habe – und schwupps, so habe ich es dann auch gemacht. Ist echt nicht schwer. Wieder eine Aufregung gut überstanden.

Heute ist nun Ostermontag und Mila läuft noch immer wackelig und stacksig. Da ich keinerlei Erfahrung mit Bandscheibenvorfällen habe, kann ich nicht einschätzen ob Mila schon gut läuft oder nicht.
Morgen sind wir bei meinem Tierarzt und ich bin gespannt wie er die Lage einschätzt. Ich hoffe er hat dann auch den Bericht von der Klinik.
Ansonsten treffen wir hier Vorkehrungen und Entscheidungen. Wir haben zwei orthopädische Matratzen für Mila bestellt. Ausserdem ein Gitter. Sie bekommt eine Ecke im Wohnzimmer, eingezäunt mit diesem Gitter. So ist sie mitten unter uns, an ihrem geliebten Fensterplatz, kann aber im unbeobachteten Moment nicht aufs Sofa springen oder die Treppen im offenen Treppenhaus benutzen. Hier müssen wir sie leider einschränken, denn sonst war die ganze OP und die kommende Reha umsonst. Das Sofa zieht sie schon jetzt magisch an und sie würde zu gerne da oben liegen.  Solange das Gitter nicht da ist, können wir Mila keine Minute aus den Augen lassen. Wir teilen es uns ein, jeder sitzt mal bei ihr. Die Zuwendung und das „nicht alleine sein“, tun ihr jetzt ohnehin gut. Sie ist ja auch ziemlich durch den Wind und weiss sicherlich gar nicht was ihr da geschehen ist.
Tapfere Mila – du bist eine wahre Kämpferin und wirst es hoffentlich schaffen!

Karsamtag. Wir dürfen Mila mit nach Hause nehmen.

In der Klinik hat Mila nichts gefressen. Im Auto frisst sie gierig.

Heftige Narbe am Rücken


Wackelig steht Mila auf vier Füßen. Die Näpfe stehen nun erhöht. Das entspannt den Rücken. 

Plötzlicher Wintereinbruch an Ostermontag – Levi freut sich am Schnee. Ich freue mich nicht.

Und die Blumen freuen sich auch nicht. Aber wir müssen es nehmen wie es kommt…im Leben scheint nicht immer die Sonne.